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BGH, 18.11.1957 - II ZR 33/56 - (Urteil)

BGH, 18.11.1957 - II ZR 33/56 - (Urteil)

Fundstellen

NJW 58, 180; BB 57, 1250; DB 57, 1222; HVR Nr. 198; HVR Nr. 175; HVuHM 58, 94; LM Nr. 1 zu § 354 HGB; VersR 58, 23; Juris; BeckRS 57 LS; Wolters Kluwer; Prinz Law

Gesetz

§ 88 HGB 1897; § 87 Abs. 2 HGB; § 87 Abs. 3 HGB; § 354 HGB; § 133 BGB; § 157 BGB

Stichworte

- Wofatit -; Wolfener Farbenfabrik Permutit-Ersatz; Kunstharz-Ionenaustauscher; Provisionsanspruch des HV bei Vermittlung eines Bezugsvertrages; Bezugsvertrag; Rahmenvertrag; Abgrenzung Sukzessivlieferungsvertrag / Wiederkehrschuldverhältnis; Begriff des Geschäfts; Provisionskollision; Provisionskonkurrenz; ergänzende Vertragsauslegung; Schweigen des HV als Zustimmung zu einer vertraglichen Änderung

Anmerkung

Vorinstanz OLG Celle, 30.11.1955 - 7 U 31/55 -;

vgl. zu dieser Entscheidung (Zuordnung der Bezirksprovision vgl. OLG Düsseldorf. 16.07.1970 LS 2;

zu LS 1 vgl. auch Ankele, Handelsvertreterrecht, § 87 Rz. 43; Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5.A, § 87 Rz. 49 a; Koller/Roth/Morck, HGB, § 87 Rz. 14; nach MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 4.A., § 87 Rzz. 6109MünchKommHGB/Ströbl, 5.A., §87 Rzz. 6, 120; Baumbach/Hopt, HGB, 40.A., § 87 Rz. 41 und Staub/Brüggemann, HGB, 4.A., § 87 Rz. 45 soll in den Fällen der Vermittlung eines Bezugsvertrages § 87 Abs. 3 HGB eingreifen;

1.1 Die im Streitfall gegenständlichen Ionenaustauscher werden in der Industrie oft zur Enthärtung, Umsalzung. Teil- oder Vollentsalzung von Wasser oder wässerigen Lösungen verwendet. Dies erklärt die Existenz von Bezugsverträgen, mit denen sich Abnehmer bestimmte Kontingente der Hersteller sichern, um stets die benötigten Mengen für ihre Produktion vorhalten zu können. Die Insoweit geschlossenen Bezugsverträge sind daher darauf zu untersuchen, ob darin Abnahmemengen bestimmt sind und ob der Kunden sich verbindlich verpflichtet, diese in dem Bezugszeitraum vom Lieferanten abzunehmen, ob zumindest eine Mindestabnahmepflicht vorgesehen ist, ob die Verpflichtung lediglich dahin geht, den gesamten Bedarf bei dem Lieferanten zu decken oder eine Abnahmepflicht erst mit dem einzelnen Abruf begründet wird. Wird eine Abnahmepflicht erst mit dem einzelnen Abruf begründet, stellt der Abruf das Geschäft dar, während der Bezugsvertrag lediglich den rechtlichen Rahmen für das Entstehen des Geschäfts bildet. In allen anderen Fällen begründet der Bezugsvertrag bereits für sich eine Abnahmepflicht. Diese ist entweder durch die verabredete Menge oder Mindestmenge bestimmt oder sie wird durch die Pflicht zur Deckung des Gesamtbedarfs in dem Bezugszeitraum bestimmbar. In jedem Fall verpflichtet sich der Dritte bereits mit dem Abschluss des Bezugsvertrages unwiderruflich zur Abnahme einer bestimmten oder zumindest bestimmbaren Menge, so dass ein provisionsbegründendes Geschäft bereits mit dem Bezugsvertrag zustande kommt und nicht erst mit dem Einzelabruf.



1.2 Teilweise wird die Entscheidung auch in Branchen herangezogen, in denen typischerweise keine Bezugsverträge geschlossen werden, wie etwa in der Textilbranche, soweit es dort um den Absatz an den Handel geht. Dort werden so genannte Block-Orders getätigt, die unterschiedlich ausgestaltet sein können. Zu unterscheiden ist dabei zwischen echten und unechten Block-Orders oder -Aufträgen. Eine echte Block-Order liegt vor, wenn der Kunde sich die Lieferung eines bestimmten Kontingents von Artikeln in bereits festgelegten Größen, Ausführungen und Farben sichert, er aber noch Liefertermin oder -ort offen lässt. Ebenso spricht man von einem echten Block-Auftrag, wenn der Kunde sich über die erteilten Vororder-Aufträge hinaus weitergehende Artikelkontingente für das so genannte Sofortlager ordert, die dann im weiteren Verlauf der Abverkaufssaison von ihm abgerufen werden und die der Lieferant bzw. Hersteller nicht ohne Zustimmung des Kunden von seinem Sofortlager an Dritte abverkaufen darf. In beiden Fällen verpflichtet sich der Kunde zur Abnahme des Kontingents, das er für sich "geblockt" hat, er kann allerdings noch den Liefertermin oder -Ort bestimmen. In beiden Fällen nimmt der Hersteller oder Lieferant die Block-Order zum Anlass, die Artikel in die Produktion zu geben. Der Kunde kann die Lieferung dieser Artikel erwarten, er muss dazu aber noch Termine und Orte bestimmen. Von unechten Block-Orders wird dagegen gesprochen, wenn der Kunde dem Hersteller oder Lieferanten im Vorfeld der eigentlichen Order-Runde eine Artikelmenge meldet, die nicht konkretisiert ist durch bestimmte Größen. Diese Mengenangaben dienen dem Hersteller oder Lieferanten lediglich zur Bestimmung der artikelbezogenen Produktionsmengen, die er für die Produktionsplanung benötigt, etwa um zu bestimmen, wieviel er an Stoffen benötigt und welche Produktionskapazitäten vorgehalten werden müssen. Unechte Block-Orders sind daher unverbindliche Planungsgrößen und verpflichten den Kunden nicht zur Abnahme, so dass es auch an einem provisionspflichtigen Geschäft fehlt.

zu LS 2 vgl. OLG Celle, 30.11.1955 LS 5 m.w.N. - Wofatit - (Vorinstanz); vgl. aber BGH, 22.01.2015 LS 11 - Kfz-Zulieferer - (Frage der Auslegung der Provisionsabrede);

zu LS 3 vgl. OLG Köln, 21.03.2014 LS 3 m.w.N. - Kfz-Zulieferer -; OLG Koblenz, 14.06.2007 LS 7, 8; OLG Celle, 30.11.1955 LS 2 - Wofatit - (Vorinstanz); auch die herrschende Lehre geht davon aus, dass es an einem Geschäft fehle, wenn jeweils noch ein Einzelvertrag über die zu liefernde Menge abgeschlossen werden muss Oetker/Busche, HGB, 5.A., § 87 Rz. 12; Baumbach/Hopt, HGB, 40.A., § 87 Rzz. 7, 38, 41; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 4.A., § 87 Rz. 60;  MünchKommHGB/Ströbl, 5.A., § 87 Rz. 64; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, 4.A., § 87 Rz. 29; Staub/Emde, HGB, § 87 Rz. 74; Emde, Vertriebsrecht, 3.A., § 87 Rz. 65; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich, Vertriebsrecht, 2.A., § 87 Rzz. 62, 63; Küstner/Thume, HdB-VertR, Bd. I Kap. V Rz. 164; Westphal, Vertriebsrecht 1998, Bd. 1, Rz. 468; Döpfer, FS Thume 2008, S. 35 ff., 38; Wauschkuhn/Fröhlich, BB 10, 524, 528; Wagner, Der Provisionsanspruch des Handlungsagenten mit besonderer Berücksichtigung des Rechts auf Einsicht in die Handelsbücher 1928, S. 19; vgl. aber OLG Frankfurt/Main, 15.11.1972 LS 1 (Sukzessivlieferungsvertrag annehmend für den Fall, dass sich der Besteller eines Loseblattwerkes mit dem Vertrag über das Grundwerk auch zum Bezug der Ergänzungslieferungen verpflichtet); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2.A., § 87 Rz. 10; vgl. aber auch Thume, BB 19, 835, 837; ders., MDR 11, 703, 705 ff.; nach dessen Ansicht die Provisionsanwartschaft bereits bei Abschluss eines Rahmenvertrages entstehen soll, wenn der HV mit dem Abschluss solcher Verträge beauftragt ist; vgl. aber auch BGH, 22.01.2015 LS 11 - Kfz-Zulieferer -; zur Abgrenzung Sukzessivlieferungsvertrag / Wiederkehrschuldverhältnis vgl. OLG Bamberg, 16.05.2003 LS 5; Budde/Geks, ZVertriebsR 12, 37;

zu LS 5 vgl. OLG Stuttgart, 24.03.1972 LS 7; Herschel-Beine, Handbuch zum Recht des Handelsvertreters 1954, S. 108; vgl. aber BGH, 22.01.2015 LS 11 - Kfz-Zulieferer - (Unterscheidung nach Sukzessivlieferungsvertrag und Wiederkehrschuldverhältnis nicht maßgebend, sondern Auslegung der Provisionsabrede im HVV; BGH, 20.12.2018 LS 7 - Mayflower 1 - (Verpflichtung des U ausreichend);

zu LS 7 vgl. OLG Düsseldorf, 11.01.1977 LS 7; Ankele, Handelsvertreterrecht, § 87 Rz. 43;

zu LS 8 vgl. Geßler/Hefermehl, HGB, Anm. 16 zu § 87, Anm. 2 zu § 87 b; Staub/Würdinger, HGB, Anm. 8 zu § 87;

zu LS 10 Ihrer Rechtsnatur nach ist die Bezirksprovision als Vermittlungsprovision einzuordnen (vgl. OLG Düsseldorf, 30.10.1958 LS 1).

zu LS 11 11.1 Hat der Bezirksvertreter an dem Zustandekommen eines Geschäfts mitgewirkt, steht ihm ein Anspruch auf Provision aus § 87 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. HGB wegen des auf seine Tätigkeit beruhenden Geschäfts zu. Dieser Provisionsanspruch konkurriert mit dem daneben gegebenen Anspruch auf Bezirksprovision aus § 87 Abs. 2 HGB, wenn der Kunde bezirksansässig ist.

11.2 Wegen des bestehenden Anspruchs auf Tätigkeitsprovision nach § 87 Abs. 1 Satz 1. 1. Var. HGB hätte es keines Rekurses auf den konkurrierenden Bezirksprovisionsanspruch zur Rechtfertigung der Annahme bedurft, dass eine Teilung nicht in Betracht kommt.

11.3 Aus dem Gegenschluss der gesetzlichen Kollisionsregelungen für andere Fälle (§ 87 Abs. 2 Satz 2 HGB 1953, der dem Provisionsanspruch des ausgeschiedenen HV Vorrang vor der Bezirksprovision des Nachfolgers Vorrang einräumt; § 87 Abs. 3 HGB 1953, der eine überwiegende Ursächlichkeit erfordert) kann abgeleitet werden, dass die Vorschriften des § 87 HGB in allen anderen Fällen der Mitwirkung verschiedener HV an einem Geschäft keine Provisionskollisionsregelung vorgeben (a.A. OLG Stuttgart, 05.10.1979 LS 26 m.w.N.). In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung muss es daher bei der Regel bleiben, dass der U, der mit mehreren HV kooperiert, die Provision für ein Geschäft, an dem mehrere HV mitwirken, die Provision mehrmals schuldet, wenn er sich hiergegen nicht durch eine Provisionskollisionsregelung im HVV vertraglich abgesichert.

zu LS 12 - Schweigen als Zustimmung zur für den HV nachteiligen Vertragsänderung - vgl. LG Münster, 14.08.1998 LS 5 - Kemper -;

zu LS 13 vgl. die Anm. zu LS 12