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OLG München, 06.04.2017 - 29 U 3139/16 - (Urteil)

OLG München, 06.04.2017 - 29 U 3139/16 - (Urteil)

ECLI

ECLI:DE:OLGMUEN:2017:0406.29U3139.16.0A

Gesetz

§ 11 VersVermV 2007; § 15 VersVermV 2018; § 61 VVG; § 6 Abs. 6 VVG analog

Stichworte

- CHECK24 1 -; BVK; Vermittlererstinformation; Erstinformation; PopUp-Fenster; Versicherungsvermittler; Versicherungsvermittlung über das Internet; Internetvermittler; Befragungspflicht; Beratungspflicht eines Online-Vergleichsportals für Versicherungen, das als VM Versicherungen vermittelt; Online-Broker; Fernabsatz; Internetvertrieb

Anmerkung



rkr.; Vorinstanz LG München, 13.07.2016 - 37 O 15268/15 -; der Senat hat die Revision nicht zugelassen, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO lägen nicht vor, die Rechtssache erfordere lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall;

zu Preisvergleichsportalen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht vgl. allgemein Franz, WRP 18, 20 ff.;

zu LS 1a vgl. die Anm. zu LS 19;

zu LS 10 10.1 Dessen ungeachtet bleibt der online-Broker jedoch ebenso wie der offline agierende VM gehalten, gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG eine anlassbezogene Beratung sicherzustellen (Armbrüster, r+s 17, 57, 60 f.; Goretzky, VersR 18, 1, 6). Abhängig von der konkreten Situationen kann für den VM Anlass bestehen, den Websitebesucher nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen. Ein gegebener Beratungsanlass wird nicht dadurch ausgeräumt, dass der Websitebetreiber die Möglichkeit der Beratung vorhält. Wann genau ein Beratungsanlass für den online-Broker besteht, kann nur in Abhängigkeit von den Besonderheiten der jeweiligen digitalen Abschlussstrecke einerseits und der Komplexität des Versicherungsprodukts andererseits entschieden werden (Goretzky, VersR 18, 1, 6).

10.2 Der online tätige VM kann unter den verschiedenen Möglichkeiten wählen, wie er sowohl durch die Produktauswahl und durch die digitale Abschlussstrecke führt, ob er Content einblendet, Informations-, Erläuterungs- und Hilfefunktionen über Icons, Buttons oder Overlays angesteuert werden. Ebenso denkbar sind Chat- oder Video-Funktionen (Armbrüster, r+s 17, 57, 60 f.; Goretzky, VersR 18, 1, 6). Durch die Ausgestaltung der Abschlussstrecke kann der online Broker sicherstellen, dass Interessenten die Bedeutung der Informationen vollständig erfassen und so befähigt werden, zu beurteilen, ob der Versicherungsvertrag ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Die Kunst liegt dabei in der einfachen Darstellung, der Konzentration auf die entscheidenden Fakten und der knappen Unterrichtung darüber, wofür abgefragte Informationen erforderlich sind.

10.3 Die digitale Abschlussstrecke sollte mit einer Bedarfsanalyse beginnen, die abhängig von dem Bedarfsprofil des Nutzers ausgestaltet werden sollte. Da online Broker keinen Push-Vertriebsansatz verfolgen, der Nutzer im Regelfall also mit einer gewissen Bedarfsvorstellung das Online-Portal des VM aufsucht, sind abhängig von der Art des Bedarfs Beratungsanlässe zu erfragen, die sich aus der Person und dem Wissensstand des Anwenders oder seinen persönlichen Verhältnissen (z. B. Einkommen, Personenstand, Alter und Beruf) sowie Umständen ergeben können, die seinen Bedarf auszeichnen. Dabei wird der Umfang der Bedarfsanalyse notwendigerweise davon abhängen, wie komplex das Risiko sich darstellt. Dabei müssen sich auch online tätige VM stets vergegenwärtigen, dass sie wegen der Marktauswahl komplexere Vorgänge mit einfachen Beschreibungen wiedergeben müssen als dies etwa bei VV der Fall ist, die nur einen oder nur wenige Versicherer vertreten. Was den Umfang der Bedarfsanalyse und der persönlichen Empfehlung anbelangt, so ist nach der Komplexität des Versicherungsprodukts zu unterscheiden.

10.4 Den geringsten Aufwand erzeugen einfache Produktversicherungen, also etwa Garantieverlängerungspolicen oder Versicherungen gegen den Verlust oder die Beschädigung von elektrischen oder elektronischen Geräten für Haushalt oder Gewerbe.

10.5 Standardprodukte wie etwa Hausrat- und Privathaftpflicht- und/oder Kfz- sowie reine Risikoversicherungen erfordern schon eine eingehendere Bedarfsanalyse und ggf. persönliche Empfehlung, weil diese Produkte nicht allen Bedarfsprofilen entsprechen oder bestimmte Risiken bereits anderweitig mitversichert sind. Demgegenüber wird eine Befragungspflicht bei einer Hundehalterhaftpflichtversicherung verneint (BT-Drs. XVI/1935, S. 24; MünchKommVVG/Reiff, 2.A., § 61 Rz. 5).

10.6 Komplexe Vorsorgeprodukte wie Riester- oder Rürup-Renten oder wie Versicherungsanlageprodukte generieren höchste Anforderungen an die Analyse des Bedarfs und die Passgenauigkeit der erteilten Empfehlung.

10.7 Für die Ausgestaltung von digitalen Abschlussstrecken wird teilweise empfohlen, den Kunden in einem letzten Abschnitt vor Abgabe seiner Vertragserklärung vor die Alternative zu stellen, entweder Kontakt zu einem Ansprechpartner des Websitebetreibers aufzunehmen oder den Antrag zu finalisieren (Goretzky, VersR 18, 1, 6). Dies erscheint zweifelhaft, denn entweder hat der Kunde ein seinem Bedarfsprofil entsprechendes Produkt auswählen können und der Betreiber der digitalen Abschlussstrecke hat alles richtig gemacht oder der Kunde ist unsicher und die vorangegangene Bedarfsanalyse und Information waren unzureichend. Jedenfalls können vorherige Fehler weder durch ein ergänzendes Beratungsangebot ausgeräumt werden noch durch einen weitergehenden Verzicht auf Beratung. Darüber hinaus führt dieser Weg zu einem Medienbruch. Ein solcher sollte nur dann stattfinden, wenn der Betreiber des online Portals auf Grund der Angaben des Kunden feststellen muss, dass der Kunde den Sachverhalt offenbar nicht durchdrungen hat oder dass aufgrund der unterschiedlichen Angaben eine Sachverhaltskonstellation vorliegt, die nicht abschließend über die digitale Abschlusstrecke verarbeitet werden kann. In beiden Fällen sollte das System die Finalisierung des Antrags unter Hinweis auf den bestehenden Beratungsanlass unterbrechen.

zu LS 14 vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38.A., § 12 UWG Rz. 2.44 a.E.;

zu LS 19 vgl. LG München I, 13.07.2016 LS 83 - check 24 -; Armbrüster, VW 17, 62, 63;

zu LS 27 vgl. Ruttmann/Schwintowski, VuR 17, 469, 473; zur Kritik als gesetzgeberisch verfehlter Norm - vgl. Langheid/Rixecker, VVG, 6.A., § 6 Rz. 41; zur mangelnden Analogiefähigkeit wegen fehlender Vergleichbarkeit der Interessenlagen vgl. bejahend Prölss/Martin/Dörner, VVG, 30.A., § 61 Rz. 41; zur Analogiefähigkeit der Bereichsausnahme des § 6 Abs. 6 vgl. LG München I, 13.07.2016 LS 50 - check 24 -; a.A. Prölss/Martin/Rudy, VVG. 30.A., § 6 Rz. 72 sowie die in Anm. 50 m.w.N. dokumentierte herrschende Gegenansicht der Literatur;

Die Annahme des Senats, es fehle an einer Vergleichbarkeit der Interessenlage, steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Annahme des BGH, nach der sich die Befragungs- und Beratungspflichten des VV nach Umfang und Intensität nicht von den Pflichten des VM unterscheiden (BGH, 12.12.2013 LS 14 - Atlanticlux 43 -).

zur Analogievoraussetzung einer Vergleichbarkeit der Lebenssachverhalte vgl. KG, 06.11.1980 LS 17 m.w.N. - Renault 1 -;

zu LS 28 vgl. OLG Hamm, 10.06.2010 LS 26; Prölss/Martin/Dörner, VVG, 30.A., § 61 Rz. 4;

28.1 Aus der vom VM geschuldeten und vom VN erwarteten (Markt)auswahl würden sich für die Frage der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 6 VVG nur dann Argumente gegen eine Analogie herleiten lassen, wenn Versicherer jeweils nur ein Produkt vorhielten. Eben dies aber ist nicht der Fall. Die Versicherer bieten vielfach mehrere Tarife mit unterschiedlichen Leistungen zu verschiedenen Prämien- oder Beiträgssätzen an. Deshalb steht auch der VN, der online bei einem Versicherer abschließt, vor der Herausforderung, Produkte vergleichen zu müssen.

28.2 Darüber hinaus hat der Senat die Frage unbeantwortet gelassen, ob sich ein aus der abweichenden Interessenlage ergebendes Analogieverbot auch für die im Streitfall relevanten Befragungs- und Beratungsplichten erstreckt. Diese Frage dürfte zu verneinen sein. Eine Befragungs- und Beratungspflicht zur Vermeidung einer Mehrfachversicherung bei einer von einem Studenten nachgefragten Hausratversicherung stellt sich für den außerhalb des Fernabsatzes tätigen Versicherer nicht anders dar als für den offline angefragten VM. Entsprechendes gilt auch für die Privathaftpflichtversicherung im Hinblick auf Risikoausschlüsse, die ehrenamtliche Tätigkeiten oder gefahrgeneigte Hobbys betreffen. Da es insbesondere in der Kfz-Versicherung üblich ist, dem Kunden Zweittarife anzubieten, unterscheiden sich die Befragungs- und Beratungspflichten des Versicherers außerhalb des Fernabsatzes auch nicht von den entsprechenden Pflichten des VM. Wird der im Fernabsatz tätige Versicherer daher auch und gerade von den im Streitfall relevanten konkreten Befragungs- und Beratungspflichten befreit, ist eine Dispensierung entsprechend § 6 Abs. 6 VVG bezogen auf diese Befragungs- und Beratungspflichten auch für den VM zu bejahen, weil insoweit von einer abweichenden Interessenlage nicht gesprochen werden kann.

28.3 Die Annahme, die Interessenlage bei der Anfrage an einen VM sei nicht mit derjenigen bei einer Anfrag des VU vergleichbar, weil der VM bei einer Anfrage an einen VM einen Produktvergleich verschiedener Anbieter erwarte, lenkt im Ergebnis auch vom eigentlichen Punkt ab. In Frage steht nicht, ob der VM von der Pflicht dispensiert wird, das Angebot aus einer Marktauswahl zu treffen. In Frage steht allein, ob der VM bei einem digital durchgeführten Versicherungsvergleich mit der Möglichkeit, eine der aufgezeigten Versicherungen digital abschließen zu können, zur Befragung und Beratung verpflichtet ist. Und genau diese Frage richtet sich danach, was der Nutzer eines digitalen Vergleichsportals erwartet und erwarten kann. Dies ist jedenfalls keine persönliche Befragung und Beratung (vgl. dazu Anm. 55.6 zu LG München I, 13.07.2016 - check 24 -).

zu LS 29 vgl. LG München I, 13.07.2016 LS 74 - CHECK24 1 -;

zu LS 31 vgl. Prölss/Martin/Dörner, VVG, 30.A., § 61 Rz. 42;

zu LS 36 vgl. LG München I, 13.07.2016 LS 78 - CHECK24 1 -;

zu LS 43 43.1 Es dürfte zu weit gehen, wenn der Betreiber eines Vergleichsportals die Vermittlererstinformation bereits beim Abrufen von Versicherungsinformationen zum Download bereitstellen muss (so im Ergebnis auch Goretzky, VersR 18, 1, 4) uns zwar möglicherweise sogar durch Zwandsdownload. Das Portal stellt Versicherungsinformationen unabhängig davon bereit, ob der Nutzer überhaupt den Willen hat, eine Versicherung über das Portal abzuschließen. Es wird daher branchenbekannt auch zu reinen Informationszwecken verwendet von Nutzern, die offline Abschlüsse tätigen wollen oder die ihnen bisher unterbreitete Angebote prüfen wollen oder die sich auch nur selbst einen Marktüberblick verschaffen wollen. Dies dürfte allgemein für den digitalen Vertrieb gelten, zumal Internetnutzer eine Website häufig infolge einer allgemeinen Recherche oder einer Google-Suche erreichen, ohne dass dadurch überhaupt eine Vermittlungsleistung in Anspruch genommen wird bzw. werden soll (Fischer, BB 12, 2273, 2274; ders., BB 16, 3082, 3086; Goretzky, VersR 18, 1, 4). Deshalb beginnt der eigentliche Versicherungsvermittlungsvorgang erst mit dem Eintritt in die digitale Abschlussstrecke. Erst zu diesem Zeitpunkt verfolgt der Nutzer klar den Zweck, die Vermittlungsleistung des Betreibers des Portals in Anspruch zu nehmen. Erst hier beginnt die "Beratungssituation" (vgl. Goretzky, VersR 18, 1, 4). Aus diesem Grund greift die Norm des § 11 VersVermV (§ 15 VersVermV 2018) auch erst dort. Denn da der Nutzer das Vergleichsportal auch dazu nutzen kann, sich einen Überblick über Versicherungsangebote zu verschaffen, beginnt die Versicherungsvermittlung erst mit dem eigentlichen Bestellvorgang. Erst dort muss die Information übermittelt werden, nicht schon beim bloßen Aufrufen der Website oder beim Aufruf der dort vorgehaltenen Versicherungsinformationen.

43.2 Die Entscheidung des Senat steht auch in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Rechtsprechung des OLG Schleswig, 25.05.2010 LS 2, 25 - Itzehoer 1 -, nach der der Begriff des ersten Geschäftskontakts gemäß § 11 VersVermV (§ 15 VersVermV 2018) von der bloßen Anbahnungsphase abgegrenzt werden muss und weder eine telefonische Voranfrage eines Interessenten noch ein darauf hin abgegebenes „Angebot“, das im Bereich der Versicherungsvermittlung regelmäßig erst zu einem persönlichen Beratungsgespräch und erst danach eventuell zum Vertragsschluss führe, der Anbahnungsphase zuzuordnen sein soll (vgl. dazu auch Goretzky, VersR 18, 1, 5). Legt man diese Maßstäbe an, so dürfte es ausreichen, die Erstinformation erst vor der Abgabe der Vertragserklärung zu platzieren. 

43.3 Allgemein wird man bei der Anwendung der regulatorischen Vorschriften auf den Internetvertrieb von Versicherungen nicht die Grundbedürfnisse der Anwender außer Acht lassen dürfen. Diese bestehen darin, sich
die Entscheidung für ein bestimmtes Versicherungsprodukt so komfortabel wie möglich zu machen. Im Idealfall will der Verbraucher durch möglichst wenige Klicks einen Überblick über das Versicherungsangebot erhalten und sich ggf. anschließend auch eine passende Versicherung auswählen um diese abzuschließen Dem Zweck der Verordnung ist zu entnehmen, dass ein „erster Geschäftskontakt” erst begründet wird, wenn im jeweiligen Einzelfall eine konkrete Beratungssituation entsteht, in welcher Kunden sich nicht lediglich Vorabinformationen verschaffen (vgl. Goretzky, VersR 18, 1, 4). Diesem Bedürfnis will der Internetvertrieb Rechnung tragen (vgl. Lehmann/Rettig, NJW 17, 596, 597). Es entspricht den Erfahrungen des Internetvertriebs, dass jeder Klick zuviel zum Abbruch führt. Dass jeder Klick zuviel Conversion kostet, mag zwar für ambivalent gehalten werden. Denn es erscheint durchaus möglich, dass der Nutzer wegen der Erkenntnis abbricht, dass das Produkt nichts für ihn ist. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass der Abbruch darauf zurückzuführen ist, dass der Verbraucher erkennt, einer Beratung zu bedürfen, erscheint indessen gering. Denn diese Abbrüche erfolgen zumeist erst vor dem finalen Klick "jetzt kaufen". Abbrüche in der digitalen Informationsstrecke sind eher darauf zurückzuführen, dass der Internetanbieter den Bedarf des Nutzers nicht erkannt hat, mit wenigen Klicken zum Ergebnis zu gelangen. Dabei ist es unerheblich, ob der Verbraucher nur an der Marktinformation interesssiert ist oder auch am Abschluss. Dass der Internetauftritt in diesem Sinne sorgfältig gestaltet werden muss, ist nicht nur ein Anliegen des Verbraucherschutzes, sondern sollte letztlich auch die Maxime für das gute digitale Handelns eines jeden Onlineanbieters sein, der erfolgreich sein will (vgl. Goretzky, VersR 18, 1, 3). Dies rechtfertigt es natürlich nicht, die Belange des Verbraucherschutzes völlig außer Acht zu lassen und den strengen formellen Vorgaben vor allem im Bereich der Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten nicht Rechnung zu tragen. Es ist aber nicht zu verkennen, dass überzeichnete Anforderungen dem Ziel des Verbraucherschutzes entgegen laufen, den Verbraucher zu befähigen, eigenverantwortlich eine Entscheidung darüber zu treffen, welches Versicherungsprodukt seinen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Denn die regulatorischen Anforderungen dienen vor allem dem Schutz des Verbrauchers, der eine informierte Entscheidung treffen und vor ungeeigneten Versicherungen und zugleich vor ungeeigneter Beratung geschützt werden soll (Lehmann/Rettig, NJW 17, 596, 597). Nach dem Willen des Gesetzgebers geht es darum, dass die Verbraucher ihre Entscheidung auf der Grundlage einer rationalen Auswahl aus den unterschiedlichen Versicherungsangeboten treffen können, wozu sie auf Informationen über das jeweils angebotene Versicherungsprodukt angewiesen sind (BT-Drs. XVI/3945, S. 47). Bezwecken die hohen Anforderungen an die Versicherungsvermittlung demgemäß, dass der Verbraucher eine informierte Entscheidung darüber treffen kann, wen er vor sich hat und welchen Vertrag er genau abschließt, bilden die umfassenden Pflichten zur Beratung und Information lediglich ein Werkzeug zur Erfüllung dieses Zwecks. Der Verbraucher soll seine Vertragserklärung für ein konkretes Versicherungsprodukt erst treffen, wenn er über alle wesentlichen Informationen verfügt (Lehmann/Rettig, NJW 17, 596, 597). Die regulatorischen Anforderungen dürfen daher gerade im Bereich der Information nicht überspannt werden. Dies würde es dem Verbraucher erschweren, einen Überblick über das Marktangebot zu erhalten und damit möglicherweise auch den Rat oder die Empfehlung eines Versicherungsvermittlers überprüfen zu können. Dies soll der Verbraucher per Klick erledigen können. Und zwar schnell und bequem. Jede Erschwerung des Informationszugangs schränkt den Schutz des Verbrauchers ein, statt ihn zu fördern. Anders wird der Fall zu beurteilen sein, in dem der Kunde möglicherweise eine Fehlvorstellung darüber haben könnte, was ihn erwartet. Dies wäre etwa denkbar, wenn der Kunde auf seinem internetfähigen Endgerät eine App installiert, etwa einen digitalen Versicherungsordner oder einen digitalen Finanzassistenten. Diese Anwendungen bieten dem Kunden die Möglichkeit, ihre Versicherungsverträge und ihr Portfolio an Finanzanlagen und -verträgen zu verwalten. Geht dies mit der Erteilung eines Maklermandats an einen VM oder eines Beratungsauftrages an einen Versicherungsvertreter einher, muss dem Kunden spätestens bei Abschluss des Maklervertrages oder Beratungsauftrages deutlich gemacht werden, dass die Anwendung eine Versicherungsvermittlung unterstützt und in welcher Vermittlereigenschaft ihm der Betreiber der Anwendung die digitalen Vermittlungsleistungen anbietet, damit der Kunde darüber nicht im Unklaren gelassen wird (Goretzky, VersR 18, 1, 4).

43.4 Auch unter Geltung der RiLi 2016/97/EU wird nicht davon auszugehen sein, dass die Informationspflichten nicht zu einem späteren Zeitpunkt ausgelöst werden als beim Besuch der Website, zumal Informationen über den Status des Vermittlers gemäß Art. 18 lit. a und b, 19 Abs. 1 RiLi 2016/97/EU „vor Vertragsabschluss“ zur Verfügung zu stellen sind, der Referentenentwurf der neuen Versicherungsvermittlungsverordnung zur Umsetzung der RiLi 2016/97/EU in § 15 nichts anderes bestimmt und die VersVermV ohnehin richtlinienkonform auszulegen ist (Goretzky, VersR 18, 1, 4). 

zu LS 48 48.1 Um die Vorgaben des § 126 b BGB umsetzen, wurden zwei Wege diskutiert.

48.1.1 Der Anwender der Website muss sich für ein Login auf dem geschützten Teil der Webseite registrieren mit einem Benutzernamen und einem Kennwort. Diese Variante ist in die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 2 VersVermV 2018 übernommen worden. Für diesen Fall dürfte jedoch aus Art. 23 Abs. 3 RiLi 2016/97/EU folgen, dass dem Kunden die Information zumindest auf Verlangen ein Papierform zur Verfügung zu stellen ist, zumal er auf die Dauer einer Speicherung bei einem personalisierten Zugang keinen Einfluss hat. Es dürfte als planwidrige Gesetzeslücke zu qualifizieren sein, dass der deutsche Gesetzgeber diese Vorgabe nicht umgesetzt hat. Auch wenn § 242 BGB dem Kunden keinen Anspruch gegen den Vermittler darauf verschafft, Arbeitsmittel wie beispielsweise einen Datenerfassungsbogen herauszugeben (OLG Nürnberg, 06.12.2006 LS 2), muss aus der Vorschrift bezogen auf die Erstinformation bei der am Maßstab des Art. 23 Abs. 3 RiLi 2016/97/EU erfolgenden richtlinienkonformen Auslegung ein Anspruch des VN des Inhalts hergeleitet werden, dass der Versicherungsvermittler verpflichtet ist, dem VN die Information in Papierform zur Verfügung zu stellen.

48.1.2 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Betreiber der Website den Benutzer zwingt, die Statusinformationen herunterzuladen (Goretzky, VersR 18, 1, 5, Armbrüster, r+s 17, 57, 61). Die letzte Variante dürfte nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 VersVermV überholt sein, wonach der Kunde die Wahlfreiheit haben muss, was die Form der Information anbelangt.

48.2 Beide Varianten setzen Hürden für die digitale Abschlussstrecke. Ein frühes Verlassen der Anonymität durch Registrierung widerspricht geübtem Nutzerverhalten im Internet (Goretzky, VersR 18, 1, 5). Der obligatorische Download wirkt bevormundend und schürt Ängste, den eigenen Account in diesem frühen Stadium mit Schadsoftware zu belasten. Überdies wird die Frage aufgeworfen, ob es mit den aus den Vorschriften des Art.25 Abs. 2 DSGVO i.V.m. dem Erwägungsgrund 78 DSGVO folgenden Grundsätzen eines Datenschutzes durch Technik (data protection by design) sowie durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen (data protection by default) zu vereinbaren ist, den Kunden zu zwingen, entweder seine Identität durch Registrierung offenzulegen oder mit seiner IP-Adresse personenbezogene Daten frühzeitig zu nutzen, etwa im Rahmen der Protokollierung des Downloads (Goretzky, VersR 18, 1, 5). Konkret wird bezweifelt, ob es für Zwecke des § 11 Abs. 1 VersVermV (§ 15 Abs. 1 VersVermV 2018) verhältnismäßig sein kann, Kunden in diesem frühen Stadium einer Geschäftsbeziehung zur Offenlegung personenbezogener Daten zu drängen (Goretzky, VersR 18, 1, 5).

48.3 Alternativ wäre denkbar, dass die Erstinformation entweder in einem Pop-up-Fenster eingeblendet wird, die dann entweder an eine vom Anwender anzugebende E-Mail-Adresse versendet wird oder aus der automatisch ein PDF generiert wird, wobei es dem Anwender frei gestellt wird, ob er das generierte File, das in seinem Herrschaftsbereich gelangt ist, lokal abspeichert, an eine von ihm bestimmte E-Mail-Adresse versendet oder auch löscht. Auch mit der E-Mail-Adresse kann der Anwender seine Anonymität wahren. Jedenfalls wird er nicht entgegen dem geübten Nutzerverhalten im Internet gezwungen, seine Anonymität zu früh verlassen zu müssen. So muss der rechtliche Rahmen nicht ausgeschöpft werden, den die Artt. 18 lit. a und b, 19 Abs. 1 RiLi 2016/97/EU dadurch vorgeben, dass die Vermittlererstinformation spätestens beim Vertragsabschluss zu übermitteln ist. Jedenfalls erscheint diese Lösung nunmehr nach der Vorschriften des § 16 Abs. 2 Nr. 1 VersVermV 2018 möglich, allerdings nur mit der Maßgabe, dass dem VN die Wahl gelassen wird, die Auskunftserteilung alternativ auf Papier zu erhalten und er sich für die Datenträgerlösung entschieden hat. Deshalb wird bei der Gestaltung der Abschlussstrecke zu beachten sein, dass der VN ein Häkchen setzen muss, damit sein Wahlrecht gesetzeskonform abgebildet wird und der Betreiber der Abschlussstrecke die Ausübung desselben auch nachweisen kann.

zu LS 49 vgl. auch Palandt/Ellenberger, BGB, 76.A., § 126 b Rz. 3;

zu LS 50 vgl. Prölss/Martin/Dörner, VVG, 30.A., § 11 VersVermV Rz. 4; zu den Informationspflichten der Versicherungsvermittler nach § 15 VersVermV 2018 sowie § 16 VersVermV 2018 - vgl. Reiff, VersR 21, 473 ff.